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(ohne gefühle)

heute morgen wachte ich zu einem nie gekannten schrecken auf: ich war ganz ohne gefühle, es war alles weg, es war, als hätte ich etwas, was mir am abend für die nacht zu besonderen sorgfalt anvertraut wurde, auf einmal verloren; ich fand mich wieder wie jemand, der die wache für ein ganzes schlafendes heer übenommen hatte, aber sich auf einmal auf die rätselhaftestes weise erblindet wiederfindet, taub und ausgelöscht. alles war fort. ich war vollkommen leer, ohne schmerz, ohne freude, ohne sehnsucht, ohne liebe, ohne wärme und freundschaft, ohne zorn, ohne haß. nichts, nichts war mehr da, ich, wie eine rüstung ohne ritter darin. es dauerte lange, bis wenigstens so etwas wie ein schreck über mich kam.

werner herzog „eroberung des nutzlosen (camisea, 6. 4. 81)“

(still)

alles unglück des menschen ist auf einen einzigen umstand zurückzuführen: daß er unfähig ist, still in seinem zimmer zu bleiben.

pascal

(viele welten)

es wohnen 800 seelen in diesem ort
es passt eine menge in 800 seelen.
viele welten, viele träume. ein gewirr von ereignissen, mut und feigheit, treue und verrat, guten stunden und schlechten.

jón kalman stefánsson “himmel und hölle”

(außer gefahr)

der junge schläft tief und fest.
er träumt vom leben, und er träumt vom tod.
manch einer, der tod ist, lebt in träumen, und desswegen kann es so schmerzlich sein, aufzuwachen. der junge kommt im dunkeln zu sich und braucht lange, um sich zurechtzufinden, zwischen traum und wirklichkeit zu unterscheiden, zwischen leben und tod. er liegt im bett und winselt manchmal wie ein verwundetes tier, schläft wieder ein, sinkt wie ein stein ins meer der träume.
manchmal ist es das beste, zu schlafen, du bist außer gefahr, die welt erreicht dich nicht. du träumst kandiszucker und sonnenschein.

jón kalman stefánsson „himmel und hölle“

(schönes scheitern)

ich spreche den unauflöslichen konflikt mit uns selbst an, das damit verbundene schöne scheitern, das unsere existenz, wenn man nicht verrückt wird, recht unterhaltsam macht.

jürgen klauke

(selbstzweifel)

jeder, der alle tassen im schrank hat, ist doch zerfressen von selbstzweifeln. die irren, die richtig gefährlichen – das sind die, die glauben, dass sie gut sind.

matthias brandt „ein anderes leben“ süddeutsche zeitung

(riskieren)

ein leben, welches das leben nicht riskieren will, beginnt unweigerlich dem tod zu gleichen.

robert pfaller „wofür es sich zu leben lohnt“

(sagen)

was ich zu sagen habe, ist zu kompliziert für dieses plakat!

demonstrationsplakat, tel aviv, juli 2011

(zurück)

es heißt, jede erzählung sei eine generalprobe für den tod, denn jede erzählung muss an ein ende gelangen. gleichzeitig bringt das erzählen dadurch, das es sich dem verschwinden widmet, die verschwundenen dinge zurück.

arno geiger