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(nicht einmal hässlich)

Das Unheil existiert nicht, es ist anderswo. Die kleinste Katastrophe hätte vielleicht genügt, um dich zu retten; du hättest alles verloren, du hättest etwas zu verteidigen gehabt, hättest Worte zu sagen gehabt, um zu überzeugen, um aufzuwühlen. Aber du bist nicht einmal krank. Weder deine Tage noch deine Nächte sind in Gefahr. Deine Augen sehen, deine Hand zittert nicht, dein Puls ist regelmäßig, dein Herz schlägt. Wärest du hässlich, wäre deine Hässlichkeit vielleicht faszinierend, aber du bist nicht einmal hässlich, du bist kein Buckliger, kein Stotterer, kein Einarmiger, kein Einbeiniger, ja, du hinkst nicht einmal.

Georges Perec „Ein Mann der schläft“

(weniger allein)

Damit sich alles erfüllte, damit ich mich weniger allein fühlte, brauchte ich nur zu wünschen, daß am Tag meiner Hinrichtung viele Zuschauer dasein würden und daß sie mich mit Schreien des Hasses empfangen.

A. Camus „Der Fremde“

(freies Spiel)

Fruchtbar ist ein Augenblick, welcher der Einbildungskraft freies Spiel läßt.
Je mehr wir sehen, desto mehr müssen wir hinzu denken können. Je mehr wir dazu denken, desto mehr müssen wir zu sehen glauben.

Gotthold Ephraim Lessing „Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie“

(Stein und Spiegel)

AUSSTELLUNG I
(Entwurf zu einem Denkmal)

Das Monument ist ein Monument für seine eigene Vergessenheit. Und bekommt erst Sinn, wenn es niemanden gibt, der ihm Sinn geben kann. Es ist der Stein, den du in der Hand hälst. Den du nie erfassen wirst. Nur der Spiegel zeigt stets die richtige Zeit. Wenn der Stein sich spiegelt, ist es nicht aus Eitelkeit. Der Spiegel verrät alles, der Stein nichts. Was zu wissen du begehrst, es ist wie Stein und Spiegel.

Tor Ulven „Das allgemein Unmenschliche“ 1991

(Dummheit)

Die Dummheit, mit der wir es hier, in Dresden und anderswo, zu tun haben, ist also nicht eine des Geistes, jedenfalls nicht in erster Linie. Es geht nicht um einen Mangel an Intelligenz: In diesem Sinne dumme Menschen können sehr intelligent sein – oder sagen wir besser: schlau? Nein, es geht um Seelendummheit, und um, wie Musil sagte, die Dummheit als »Gefühlsfehler«, die ihren Ursprung in Furcht vor dem Leben, in Angst vor der Zukunft, ja, in Panik hat. Und in der Unfähigkeit, damit auf andere Art als hassend umzugehen.

(Axel Hacke im SZ-Magazin)

(Leitmotiv)

Keine Hoffnung zu brauchen, um anzufangen, und keinen Erfolg zu brauchen, um auszuharren. Ich finde, das sollte eigentlich das Leitmotiv sein.

(Ludwig Mies van der Rohe)